Borderlinestörung:

 

Borderlinestörung   (Infos für Patienten)

Borderline Infos im Internet::

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/borderline-stoerung/was-ist-eine-borderline-persoenlichkeitsstoerung-bps/

https://de.wikipedia.org   Bitte  Borderline als Stichwort  unter Wikipedia  Suche  eingeben.. Wie immer gute Informationsquellen!! 

http://www.borderline-plattform.de/

http://www.hansgunia.de/  Borderline Projekt  in Darmstadt

https://www.aerzteblatt.de/archiv/64189/Psychopathologie-und-Therapie-der-Borderline-Persoenlichkeitsstoerung  Artikel von Prof. Martin Bohus  im Ärzteblatt 

You Tube  Vortrag von  Prof. Martin Bohus:  

Im Zentrum der Borderline-Problematik sehen die

meisten wissenschaftlich orientierten Arbeitsgruppen

heute eine Störung der Affektregulation

Die Reizschwelle für interne oder externe Ereignisse

 (wie z.B. Gedanken oder  Phantasien , oder Erlebnisse),

die Gefühle hervorrufen, ist erniedrig, 

d.h.  das Erregungsniveau ist hoch.

Nur verzögert erreicht der Patient wieder das

emotionale Ausgangsniveau. Die unterschiedlichen

Gefühle werden von den Betroffenen oft nicht differenziert

wahrgenommen, sondern häufig als unbestimmte

quälende, diffuse Spannungszustände erlebt. 

Diese werden als quälende Spannung und Erregung

aber auch als quälende innere Leere empfunden. 

Es kommt zu Körperwahrnehmungsstörungen wie 

Schmerzunempfindlichkeit und andere körperliche 

Symptomen, Wahrnehmungsverzerrungen (sog. dissoziative

Phänomene (Veränderung des räumlichen Wahrnehmens,  

des Geruchs und der Akustik sowie der 

Gleichgewichtswahrnehmung). 

Das selbstschädigende Verhalten, wie Schneiden, etc.

aber auch aggressive Durchbrüche, oder erhöht riskante 

Verhaltensweisen  können die aversiven

Spannungszustände reduzieren oder die Wahrnehmung von 

Gefühlen wieder ermöglichen,  was im Sinne

der Lerntheorie das Verhalten durch sog. "negative 

Verstärkung" wahrscheinlicher macht  ( der Wegfall 

unangehmen Empfindens wird als Belohnung und 

emotionale Erleichterung empfunden

Neben dieser Gruppe von Patienten, die Selbstschädigungen

einsetzen, um sich wieder zu spüren oder

Spannungszustände zu reduzieren, gibt es eine Gruppe,

die berichtet, nach Selbstschädigung Euphorisierung

zu erleben. Viele dieser Patienten schneiden sich

daher ausgesprochen häufig, z.T. täglich, und neigen

auch sonst zu einem Hochrisikoverhalten. Sie balancieren

beispielsweise auf Brückengeländern und

Hochhausdächern, rasen auf Autobahnen oder verweilen

ohne suizidale Absicht auf Bahngleisen.

 

Im  zwischenmenschlichen Bereich  dominieren

Schwierigkeiten in der Regulation von Nähe und Distanz.

Beherrscht von einer intensiven Angst vor dem Alleinsein

und einer schlecht ausgeprägten intrapsychischen

Repräsentanz wichtiger Bezugspersonen, verwechseln

sie häufig Abwesenheit mit manifester Verlassenheit.

Sie versuchen daher, wichtige Bezugspersonen

permanent an sich zu binden.

Andererseits bewirkt die Wahrnehmung von Nähe

und Geborgenheit ein hohes Maß an Angst, Schuld

oder Scham. Die Folge: langwierige, schwierige

Beziehungen mit häufigen Trennungen und

Wiederannäherungen. Die zeitgleiche Aktivierung 

widersprüchlicher  Grundannahmen scheint eines der 

auffälligsten Verhaltensmuster bei Borderline-Patienten zu

sein. So aktiviert etwa das Bedürfnis nach Zärtlichkeit und

Geborgenheit die Selbstwahrnehmung, gewalttätig und

zerstörerisch zu sein. 

Das Bedürfnis nach Macht, Unabhängigkeit 

und Autonomie sorgt für einen Hunger

nach bedingungsloser Zuwendung und Liebe, die

Wahrnehmung sexueller Lust aktiviert massive 

autodestruktive Bedürfnisse. Das Gefühl, jemandem

 vertrauen zu können, schlägt um in die sichere Erwartung

einer traumatisierenden Grenzüberschreitung. Stolz,

also die Wahrnehmung, etwas geleistet zu haben, was

den inneren Normen entspricht, löst Scham aus und

damit die Befürchtung, dass die eigene Minderwertigkeit

sichtbar wird.

Klinisch auffällig ist auch eine passive Aktivität:

Durch Demonstration von Hilflosigkeit und Leid wird

Kontakt und Unterstützung gesucht. Die Betroffenen

stellen sich vor, wenn das Gegenüber tatsächlich

wahrnehmen würde, wie schlecht es ihnen geht, hätte

es die Macht, ihr Befinden erheblich zu verbessern.

 

Die ausgeprägten dissoziativen Phänomene

sind oft nicht mehr an konkrete Auslöser gekoppelt,

sondern generalisiert. Die mangelhafte Wahrnehmung

der eigenen Emotionen, Verzerrung des Raum-

Zeit-Gefühls, ein ausgeprägtes Gefühl von Fremdheit

und vor allem der Verlust der Kontrolle über die Realität

charakterisieren diese Phasen. Hinzu kommen häufig

Flashbacks, d.h. szenisches Wiedererleben traumatisierender

Ereignisse, die zwar kognitiv der Vergangenheit

zugeordnet werden, emotional jedoch als

real erlebt werden. Nicht selten werden diese Flashbacks,

die über Stunden und Tage anhalten können,

vom klinisch Unerfahrenen als psychotisches Erleben

fehldiagnostiziert.

Auch Alpträume sowie ausgeprägte Ein- und

Durchschlafstörungen belasten das Allgemeinbefinden

und destabilisieren emotional. Alkohol- und Drogenmissbrauch,

Essstörungen, Vernachlässigung von

körperlicher Bewegung und Behandlung eventueller

somatischer Erkrankungen verursachen soziale Probleme,

wie inadäquate Ausbildung und Arbeitslosigkeit.

 

Epidemiologie, Versorgung und Verlauf

Etwa 1,5 % der Bevölkerung leiden unter einer voll

ausgeprägten BPS. Etwa 70 % der klinischen Population

ist weiblich. Ein erheblicher Anteil der männlichen

Borderline-Patienten sucht wahrscheinlich keine 

psychotherapeutische Behandlung auf, sondern wird z.B. 

straffällig.   Der Anteil von Borderline Patienten

in psychiatrisch/psychotherapeutischen

Kliniken liegt etwa bei 15 %. In psychotherapeutischen

oder nervenärztlichen Praxen wird er auf 10–30 % geschätzt.

Die primären Behandlungskosten müssen mit

etwa 15 % der Gesamtkosten für psychische Störungen

in der BRD kalkuliert werden. Größter Kostenfaktor

ist die stationäre Behandlung: Etwa 80 % der Betroffenen

in der BRD werden Jahr für Jahr stationär

behandelt; die durchschnittliche Liegezeit beläuft sich

auf ca. 65 Tage pro Jahr. [1]. Nach eigenen Untersuchungen

[1] zeigte eine große Gruppe bereits im Alter von 14

Jahren Verhaltensauffälligkeiten (Essstörung,

 Selbstschädigung, Suizidversuche, auffälliges

 Sozialverhalten, affektive Störung). Die Sterblichkeit an

 Suiziden oder Unfällen  ist erhöht. 

 

Risikofaktoren für vollendete Suizide 

sind impulsive Handlungsmuster, höheres

Lebensalter, Depressionen, komorbide antisoziale

Persönlichkeitsstörung, frühkindlicher Missbrauch

und Selbstverletzungen [2]. 50 % aller Borderline-

Patienten mit vollendetem Suizid hatten zuvor bereits

Suizidversuche unternommen.  Während die

affektive Instabilität persistiert, scheinen sich insbesondere

dysfunktionale Verhaltensweisen wie Selbstverletzungen

und Suizidversuche mit dem älter werden  deutlich zu reduzieren.

Die gleichzeitig vorliegenden psychischen Störungen

verbesserten sich bei diesen Patienten ebenfalls

deutlich, so dass die Prognose für 2/3 der Patienten

mit BPS eher als günstig eingestuft werden kann [5].

Prognostisch ungünstig scheint insbesondere das

gleichzeitige Vorliegen einer Suchtstörung zu sein.

Eine BPS zusammen mit stoffgebundenen Süchten ist

eher bei männlichen Patienten anzutreffen [6].

Es finden sich hirnorganisch  sowohl morphologische

als auch funktionelle Störungen im fronto-limbischen

Regelkreis, insbesondere Amygdalae und Hippokampus

also  den Schläfenlappen und die Emotionsregulation 

betreffend.  Inwiefern die nachgewiesenen neurobiologischen

Auffälligkeiten bei BPS-Patienten Folge genetischer

Faktoren oder psychosozialer traumatischer Erfahrung

sind, ist unklar. 

 

Genetische und psychosoziale Ursachen

Als ursächlich für die Entstehung der BPS werden

heute Wechselwirkungen zwischen genetischen und

psychosozialen Faktoren diskutiert.

Neben den zentralen Risikofaktoren (weibliche Sozialisation

und frühe Erfahrung von Gewalt und Vernachlässigung)

scheint das Fehlen der 2. Bezugsperson

von Bedeutung zu sein, also einer Schutz und Sicherheit

gewährenden Person, die insbesondere die

Wahrnehmung der Betroffenen teilt und deren Emotionen

bestätigen könnte. Trotz der hohen Missbrauchsrate

(etwa 60 % weiblicher Patienten mit BPD

berichten über sexuelle Gewalterfahrung in der Kindheit)

ist der kausale Zusammenhang zwischen Traumatisierung

und Entwicklung einer BPS nicht sicher.

Für die Gesamtheit der Persönlichkeitsstörungen

liegen seit Mitte der neunziger Jahre Befunde aus

Zwillingsstudien vor, die den Nachweis eines starken

genetischen Einflusses erbringen (Konkordanzraten

bei eineiigen Zwillingen ca. 55 %, bei zweieiigen ca.

14 %). Bereits die Ergebnisse der frühen Arbeiten von

Livesley, die eine genetische Disposition für Verhaltens-

und Erlebenskomponenten, wie affektive Labilität,

Identitätsprobleme, Narzissmus und Impulsivität

bei gesunden Zwillingspaaren fanden, weisen auf die

 Bedeutung erblicher  Faktoren bei der BPS hin.

 

Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) : 

Diese Therapie integriert ein weites Spektrum an

therapeutischer Methodik aus dem Bereich der Verhaltenstherapie,

der kognitiven Therapie, der Gestalttherapie,

der Hypnotherapie und der Meditation.

Sie untergliedert sich in drei Phasen

mit unterschiedlichen Behandlungszielen

 Phase I: Überleben!: und besser leben: 

a.) Behandlung von Suizidalität und Selbstverletzung

b) Bearbeitung von Verhaltensmustern, die die

 Therapie-Zuverlässigkeit  gefährden

c) Bearbeitung von Verhaltensmustern, die die

 Lebensqualität der Patientin erheblich belasten, z.B.

 Drogenkonsum, Essstörungen, Wohnungslosigkeit,

 dissoziative Störungen etc.

 Phase II: Bearbeitung von emotionalen und kognitiven

 Folgen früher Traumatisierung

 Phase III: Neuorientierung und Integration, Entwicklung 

von Lebensplänen

Die Therapie gliedert sich in vier Behandlungskomponenten: 

Einzeltherapie mit Bearbeitung therapiegefährdendem Verhalten

Fertigkeitentraining  in der Gruppe 

Telefonberatung

und Supervision für den Therapeuten.

 

Die Therapie basiert auf erhöhter innerer Achtsamkeit, mit

Elementen der Meditation (Mindfulness, ZEN)  in einem 

Kontinuum von Akzeptanz und Veränderung. 

Dialektisches Vorgehen: Vor und Nachteile werden gesehen

Die komplexe Beziehungsgestaltung der Borderline-

Patienten erfordert zudem vom Therapeuten

spezifische Interaktionsmuster, die von Linehan als

„dialektisch“ bezeichnet werden.  Gemeint ist eine

schwierige Balance zwischen Akzeptanz der jeweiligen

Gegebenheiten und Drängen auf Veränderung, 

aber auch zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und Distanz

Der Einzeltherapeut muss motivieren. Er

analysiert das Verhalten und die Bedingungen für

die dysfunktionalen Verhaltensmuster  

Gleichzeitig erarbeiten die Patienten in der Gruppe

Alternativen auf der kognitiven, emotionalen

oder Handlungsebene.  Sie lernen den Umgang mit

emotionaler Erregung sowie adäquate interpersonelle

Kommunikation und Fokussierung der Aufmerksamkeit.

Er/sie verbessert seine/ ihre Stresstoleranz.

In Krisensituationen steht der Therapeut telefonisch soweit 

zur Verfügung, als er an die Anwendung der erlernten

Bewältigungsstrategien erinnert.

Der Einzeltherapeut ist verantwortlich für die Generalisierung

des Erlernten im sozialen Umfeld.

Hierarchie der Ziele erstellen

Ein wesentliches Merkmal der DBT ist die sorgfältige

Hierarchisierung von Therapiezielen. Da die Symptomatik

von Patienten mit BPS in der Regel komplex

und oft auch gefährlich ist und die Gefahr von 

Therapieabbrüchen nicht unterschätzt werden darf, ist ein

gewissenhaftes Einhalten der von Linehan vorgeschlagenen

Zielhierarchisierung für Therapeuten und Patienten

hilfreich. Die allgemeinen Regeln der Zielhierarchisierung

sehen vor, dass der Bearbeitung und Veränderung suizidaler

oder direkt lebensbedrohlicher Verhaltensmuster

Vorrang einzuräumen ist  (oberste Zielhierarchiestufe:

suizidales oder lebensbedrohliches Verhalten).    An

zweiter Stelle in der Zielhierarchie stehen Verhaltensmuster,

die die Therapie behindern oder unmöglich

machen (z.B. Nicht-Erscheinen zu Sitzungen, Brechen

von Vereinbarungen, stationäre Klinikaufnahme zur

Vermeidung von Problemen im Alltag etc.).

Die Bearbeitung und Veränderung therapiegefährdenden

Verhaltens hat Vorrang vor der Veränderung

von Verhalten, das die Lebensqualität einschränkt

(dritte Hierarchiestufe). 

Typische Beispiele für Verhaltensweisen,

die die Lebensqualität einschränken, sind

Essstörungen , Angststörungen, oder Probleme im Umgang

 mit Wut oder Traurigkeit.  Innerhalb dieser Verhaltensweisen

sollte eine erneute Abstufung der Therapieziele

nach Gefährlichkeit und Alltagsrelevanz getroffen

werden. Manchmal ist es nötig, unterschiedliche, die

 Lebensqualität einschränkende Verhaltensmuster, parallel zu

 bearbeiten, wie z.B. bei der häufigen Kombination

von sozialphobischem Vermeidungsverhalten und

gleichzeitiger depressiver Passivität.

 

Therapeutenqualitäten (Validierungsstrategien) 

1 Aufmerksamkeit Interessiertes Zuhören, Erinnern von früher

 Gesagtem, nachfragen, nicht bewertend.

2 Genaue Reflexion:  Vermitteln, dass das Gesagte

 verstanden worden ist, Patientenperspektive wird als

 „ist-Zustand“ verstanden, auch wenn sie nicht die einzig

 mögliche Perspektive ist.

3 Artikulation von Nichtverbalisiertem:   Ansprechen von

 Gefühlen, Gedanken und Verhaltensmustern, die der Patient

 erlebt, aber nicht anspricht

4 Validierung in Termini vorangegangener Lernerfahrungen

oder biologischer Dysfunktionen  Das Erleben und Verhalten

wird nicht „gutgeheißen“, ist aber  vor dem Hintergrund der

Biographie oder von biologischen  Parametern verständlich.

5 Validierung in Termini von gegenwärtigen Umständen

Das Erleben und Verhalten des Patienten ist aufgrund eines

 aktuellen Auslösers nachvollziehbar, unterschiedliche

 Wertmaßstäbe werden respektiert.

 

6 Patient als Person wird in radikaler Echtheit als valide

behandelt, Entpathologisierung von Problemen und

Symptomen Patient wird als Person mit gleichem Status

behandelt; Probleme werden als normal und nicht als

pathologisch angesprochen (z.B. „es ist normal, traurig zu

 sein, wenn der Partner zu einer Reise aufbricht, das geht

 mir auch so“); 

7. Therapeut glaubt an die Fähigkeit des Patienten zur

 Veränderung

 

Taschenbuch

     

         

Ewald Rahn

Borderline  

Psychiatrie Verlag  

 

Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige  

Joachim Gneist Wenn Haß und Liebe sich umarmen.     Das Borderline- Syndrom.